Friedensgebet für die Ukraine

Tauben auf Kanone
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Ansprache der Regionalbischöfin beim Friedensgebet für Ukraine, Lorenzkirche, 26.2.22:

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – so sagten es die Vertreter auf der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1948 in Amsterdam 30 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Das schmerzhafte Erleben und die Verluste des Krieges waren noch allgegenwärtig, waren noch nicht einmal ansatzweise geheilt.

Jenseits der Fragen nach Schuld und Gerechtigkeit,
nach Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Tötens
blieb unendliches Leid,
Flucht und Vertreibungen,
Hass und Zerstörung.

Bis heute ist noch Manches spürbar.
Viele von uns, die wir hier sitzen haben Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern, die das noch erlebt haben.
Die ihre Geschichten bis heute verfolgen, die davon traumatisiert wurden.
Die fliehen mussten oder vertrieben wurden.
Wir spüren es bis heute!
Deshalb: Krieg SOLL nicht sein – nach Gottes Willen!
Sehr oft ist aber das, was nach Gottes Willen nicht sein soll,
bittere, ungewollte Realität:
Töten soll nach Gottes Willen nicht sein.
Flucht und Vertreibung soll nach Gottes Willen nicht sein.
Zerstörung soll nach Gottes Willen nicht sein.
Witwen und Waisen sollen nach Gottes Willen nicht sein.
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.

Und doch findet dieser Krieg statt vor unser aller Augen.
Es macht mich fassungslos. Traurig! Wütend!
Alles auf einmal, irgendwie gleichzeitig und im Ergebnis fühle ich mich hilflos.

„Jetzt hilft nur noch beten!“ – war mein erster Gedanke, als ich vom Angriffsbefehl des russischen Präsidenten Putin gegen die Ukraine gehört habe.
Bis zuletzt habe ich gehofft, dass es nicht passiert.
Dass so ein eklatanter Bruch des Völkerrechts nicht einfach so vor unser aller Augen stattfindet. Aber es ist geschehen. Und damit Leben und Existenz von so vielen unschuldigen Menschen gefährdet.
•    Menschen, die vor Bomben in Bunker fliehen oder ihre Herkunftsorte verlassen müssen.
•    Menschen, die schon jetzt in tiefstem Kummer und Leid getötete Angehörige und Freunde betrauern müssen.
•    Menschen, die hier bei uns hilflos zusehen müssen und vor Sorge um ihre Lieben fast verrückt werden.
Man möchte schreien!

In Psalm 7,
der in unserer Lutherbibel den Titel „Gebet eines unschuldig Verfolgten“ trägt, heißt es u.a.:
Steh auf, HERR, in deinem Zorn!
Wache auf, mir zu helfen! …
Schaffe mir Recht, HERR,
nach meiner Gerechtigkeit und Unschuld!
Lass enden der Gottlosen Bosheit!

So in etwa fühlt es sich gerade an.

Wie gern würde ich jetzt passende Worte finden,
etwas sagen können, das wirklich hilft,
das einen Unterschied macht.
Aber kann ich das?
Würde nicht aller Trost, den ich in Worten zu finden suche,
das Leid, die Betroffenheit und den Schmerz verhöhnen?
Ich will die Angst und die Wut nicht kleinreden.

Ich bin froh, dass wir mit unserer Bibel im wahrsten Sinne des Wortes einen „Wort-Schatz“ haben, dessen wir uns bedienen können, wenn unserer Worte nicht mehr ausreichen. Wenn sie uns im Hals stecken bleiben vor Wut und Trauer.

Ein „Hilferuf“ aus Psalm 13:
HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen?
Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?
Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele /
und mich ängsten in meinem Herzen täglich?
Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?
Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott!
Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe,
dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden,
und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke.

Die Worte des „Angefochtenen“ leihe ich mir heute gerne –
stellvertretend für unsere Schwestern und Brüder in der Ukraine,
in Russland, in den angrenzenden Staaten.
Für alle, die das Unrecht sehen, das hier geschieht.
Für alle, die Angst haben,
denen der Zorn die Kehle zuschnürt
und die vor Trauer verstummen.
Herr, erbarme dich!

Was können wir tun?
Der Bischof unserer Partnerkirche, der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine, Pavlo Shvartz hat uns eindringlich gebeten, für die Menschen in der Ukraine, die russischen und ukrainischen Konfliktparteien, vor allem aber für den Frieden zu beten.

Vielleicht hilft jetzt wirklich „nur noch“ beten.
Aber das ist eigentlich eine ganze Menge.
Wenn wir beten, verbinden wir uns miteinander.
Beten können wir füreinander nur in einer Haltung des gegenseitigen Wohl-wollens.
Ich freue mich sehr, dass heute russische und ukrainische Christen gemeinsam hier beten.
Dass der Schmerz uns vereint statt trennt.
Das lässt mich hoffen!

Wir können auch wachsam sein.
Wachsam gegenüber Falschinformationen, Propaganda und Hassreden.
Seien wir vorsichtig, was wir z.B. in sozialen Medien teilen
und wem wir das Wort reden.

Nicht umsonst heißt unser wichtigstes und oberstes Gebot:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Liebe soll unser Leitmotiv sein, nicht Hass.
Mitleid, statt Häme.
Hoffnung statt Angst.

Hören wir nicht auf zu beten und zu hoffen!

75 Jahre ist die Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) her.
Sie wussten damals genau, wovon sie sprachen:
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

75 Jahre lang durften wir in Europa in Frieden leben.
Mehreren Generationen blieben die Erfahrungen ihrer Vorfahren erspart.
Mit dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren begann eine Stimmung des Aufbruchs und der Hoffnung in Europa.
Es will vorsichtig zusammenwachsen, was so lange getrennt war.

Lassen wir uns das nicht kaputt machen!
Bleiben wir als Christinnen und Christen auf allen Seiten weiterhin Botschafter der Hoffnung, dass es ein Zusammenleben in Frieden in aller Verschiedenheit geben kann.
Herr, erbarme dich!

Der vorhin zitierte Psalm 13 hat noch einen letzten Vers, den ich bisher ausgelassen habe:
Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist; /
mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst.

Über uns allen in unserer Angst und Trauer stehe Gott mit seinem Segen.
Amen.

 

Hier geht es zur Gebetswand der ELKB für die Ukraine. Dort können Sie auch ein eigenes Gebet hinterlassen.